21.07.1861: Die 1. Schlacht von Manassas / Bull Run

 

Manassas war ein völlig unbedeutendes Dorf am Flüsschen Bull Run Creek im Norden von Virginia, nur gut 30 Meilen südwestlich von Washington. Nachdem US-Präsident Abraham Lincoln die Freiwilligen zum Dienst an der Waffe gerufen hatte, sammelten sich diese Soldaten in und um die Unions-Hauptstadt, unmittelbar an der Grenze zu Virginia.

Die konföderierte Hauptstadt Richmond war von dort aus auch nicht weit entfernt (obige Karte: etwas unterhalb des unteren Kartenrandes), sodass der konföderierte Präsident Jefferson Davis befürchtete, die Union würde – wenn sie genügend Leute beisammen hätte – quasi im Handstreich einmarschieren und Richmond besetzen, womit die Konföderation ohne eine ernsthafte Auseinandersetzung besiegt worden wäre. Deshalb schickte er General Pierre Beauregard mit etwa 20.000 Mann in den Norden von Virginia, um das Land gegen Washington zu schützen. Weitere 15.000 Mann befanden sich unter General Joseph Johnston rund 25 Meilen entfernt im Shenandoah-Tal.

 

Brigadier General Pierre G. T. Beauregard, CSA / Brigadier General Joseph E. Johnston, CSA

Lincoln wiederum befürchtete nun, dass diese beiden konföderierten Streitkräfte Washington von zwei Seiten angreifen und besiegen konnten, während seine eigenen Truppen erst im Aufbau waren. Aber der Süden hatte von Anfang an nicht vor, in den Norden einzufallen, sondern nur sein eigenes Gebiet zu verteidigen.

Im Norden wuchs der Druck, diese „Rebellion“ endlich zu beenden. So marschierte der von Lincoln hierfür eingesetzte US-General Irwin McDowell, der seine Armee noch für „unreif“ hielt, mit 35.000 Mann auf öffentlichen und politischen Druck am 16. Juli 1861 von Washington aus los nach Süden bis zur Kleinstadt Centreville, nördlich vom Eisenbahnabzweig Manassas, also auf konföde­riertes Gebiet.

Brigadier General Irvin McDowell, USA

Normalerweise brauchte eine Armee für diesen Marsch weniger als einen Tag. Die unerfahrenen und undisziplinierten Männer von McDowell dagegen benahmen sich eher wie auf einem Ausflug, hatten Spaß am Plündern von Ortschaften, oder rasteten am Wegesrand und verzehrten dort wachsende Beeren, wodurch die Marschkolonnen immer wieder ins Stocken kamen. So brauchten sie mehr als drei Tage und gaben dem Süden genug Zeit, diese Bewegung genau zu beobachten und sich entsprech­end aufzustellen.

Auch rief Beauregard telegrafisch die Truppen von Johnston herbei, um das Kräfte­verhältnis auszugleichen. Da McDowell wieder zögerte, konnte ein Großteil von Johnston’s Männern rechtzeitig die konföderierten Reihen verstärken.

 

Am frühen Morgen des 21. Juli griff McDowell schließlich an, und Beauregard war darauf vorbereitet.

Nun ergab es sich, dass die Generäle beider Seiten denselben Schachzug planten, und zwar, die Hauptfront des Gegners linksseitig zu umgehen und ihr quasi in den Rücken zu fallen. Das war eine Taktik aus dem Lehrbuch - einfallsreichere Strategien entwickelte man erst durch die Erfahrungen im Laufe des nun beginnenden Krieges. Die Folge war hier, dass sich die gesamte Aufstellung der gegner­ischen Fronten quasi im den Uhrzeigersinn drehte und keine Seite einen Vorteil daraus ziehen konnte.

Nachdem dieser ursprüngliche Plan nicht klappte, kam Unordnung in die Bewegungen. Die Unions-Seite hatte zwar mehr als doppelt so viele Männer im Einsatz, konnte auch Gelände gewinnen, wurde dann aber immer wieder zurückgedrängt. Gegen Mittag war die Konföderation soweit geschwächt, dass sich große Teile auf die Anhöhe „Henry House Hill“ zurückziehen mussten, die gut zu verteidigen war.

Ruine des Hauses von Judith Henry auf Henry House Hill; in FiS wird die Explosion des Hauses nach einem Granatentreffer dargestellt.

In der Zwischenzeit war es dem Süden gelungen, die letzten Einheiten von Johnston herbeizuholen und direkt in die Schlacht zu bringen. Hierbei benutzte man – zum ersten Mal überhaupt als entscheidendes Mittel – die Eisenbahn. Die Union hatte dies schlicht nicht bedacht und wurde von der so schnellen Verstärkung ihrer Gegner überrascht.

Auf Henry House Hill stand zudem Brigadier General Thomas Jackson mit seiner Brigade und verteidigte den Hügel standhaft. Durch den Kommentar eines anderen Offiziers erhielt er hierfür den legendären Beinamen „Stonewall Jackson“. Diese Rückendeckung half der nun verstärkten konföderierten Armee, sich neu aufzustellen und einen effektiven Gegenangriff zu starten. Die Unionssoldaten waren hiervon so überrascht, dass ihre Fronten teilweise einbrachen und sich ungeordnet zurückzogen.

Darstellung von 1889; man sieht die teilweise sehr fantasievollen Uniformen, die zu Beginn des Krieges noch häufig verwendet wurden, die aber auch zu Verwechslungen auf beiden Seiten führten.

 

Seit etwa Mittag waren etliche wohlhabende Bürger aus Washington mit ihren Kutschen und Picknick-Körben gekommen, um sich die – wie sie erwarteten – einzige und entscheidende Schlacht von einer nahen Anhöhe aus persönlich anzuschauen. Als klar wurde, dass die Unionsarmee überrannt wird, setzte unter diesen Gaffern Panik und Flucht ein. Gleichzeitig wandten sich immer weitere Unions-Truppen zur Flucht, und als die Rückzugswege durch – nicht selten umgestürzte – Pferdekutschen auf Brücken und in den Straßen der Ortschaften blockiert waren, kam es zur Massenpanik. Die Unions­soldaten rannten den ganzen Weg zurück nach Washington, wo sie völlig aufgelöst und meist unter Zurücklassung ihrer Waffen und Ausrüstungen ankamen.

Im Grunde genommen hätte die Konföderation ihren Gegenangriff jetzt ohne Probleme bis nach Washington fortsetzen und die Unions-Hauptstadt einnehmen können - sofort oder ein paar Tage später -, bevor Unionskräfte gesammelt und zur Verteidigung neu aufgestellt waren. Aber das klappte aus mehreren Gründen nicht. Auch die Soldaten aus dem Süden waren völlig erschöpft, so untrainiert wie sie waren. Ausgeruhte Reserve-Einheiten (z.B. durch Staats-Milizen) standen ihnen nicht zur Verfügung, weil die Gouverneure sie nicht freigaben. Und drittens setzte bald darauf Regen ein, der die Straßen unpassierbar machte.

 

So ging diese Schlacht klar für den Süden aus, der hieraus aber keinen direkten Nutzen ziehen konnte. Das Selbstvertrauen der Konföderation in die eigenen Fähigkeiten war aber gewaltig ge­wachsen. Im Norden war man schockiert und ernüchtert, McDowell wurde abgesetzt, und sein Nachfolger George McClellan hatte die Aufgabe, die Armee neu aufzubauen, ordentlich zu trainieren und eine völlig neue Taktik gegen die Konföderation zu beginnen: den Halbinsel-Feldzug.

 

Es war und ist Tradition, Feldzüge und Schlachten mit einem Namen zu versehen, um sie künftig voneinander unterscheiden zu können. Interessant ist, dass der Norden und der Süden mitunter ganz unterschiedliche Namen vergab, die oft zu Verwechslungen führen. Die Union bezeichnete die Schlachten zumeist nach dem nächstgelegenen Fluss oder Bach, die Konföderation nach Ortschaften. So wurde die „Schlacht von Manassas“ im Norden als „Bull Run“ bezeichnet. Übrigens gab es zwei Jahre später an fast gleicher Stelle erneut ein Aufeinandertreffen, sodass die hier beschriebene Schlacht nun als „1. Manassas“ bzw. „1. Bull Run“ in den Geschichtsbüchern steht.

 

Noch eine Anmerkung:

Man glaubte damals tatsächlich, daß es nur eine Schlacht geben wird. Man sollte es glauben, und man wollte es glauben. Das ist ganz typische Massenpsychologie, wie sie auch heute noch benutzt wird. Eigentlich nur die erfahrenen Militärs wussten es besser, aber die kamen nicht zu Wort oder belogen die Bevölkerung absichtlich. Denn weder Militärs noch Politiker wollten, dass die Euphorie der Bevölkerung in Angst vor der Schlacht und den Toten umschlägt. Das war damals nicht anders wie heute. Man denke nur daran, was George Bush und später sein Sohn mit den Stimmungen in Amerika und der Welt gemacht haben, um ihre Kriege gegen Afghanistan und den Irak zu bekommen. Genau dasselbe. Damals sagte man: "Eine einzige Schlacht." Heute heißt das "Chirurgische Operation". Dass es nicht dabei bleibt und dass es Tod und Leid gibt, wird auch heute verschwiegen - das wäre ja furchtbar, da könnte man ja plötzlich dagegen sein.

Das mit dem Picknick gibt es im übertragenen Sinne heute genauso. Damals war man blind vor Euphorie und grenzenlos zuversichtlich, ein Heldenschauspiel geboten zu bekommen. Ich habe absichtlich geschrieben: "die wohlhabende Bevölkerung". Diese Leute waren nicht selten ziemlich wirklichkeitsfremd und lebten in einer ganz eigenen Wahrheit. Das kommt noch hinzu. Und heute? Da laufen die Fernsehbilder tag und nacht, von rollenden Panzern und tod-bringenden Lichtpunkten am Nachthimmel. Es gibt genug Typen, die davon nicht genug bekommen. Wo ist der Unterschied zu dem Picknick von damals?