09.04.1863 - Brandy Station, VA - Ein "Hauen und Stechen"

 

Heute berichte ich über einen weiteren Superlativ, den dieser Bürgerkrieg hervorgebracht hat: die größte Kavallerie-Schlacht, die je auf amerikanischem Boden stattgefunden hat.

 

General Lee steckte mitten in seinen Vorbereitungen für den Feldzug nach Norden, der Anfang Juli nach Pennsylvania führen sollte. Die Teile seiner Armee lagerten südlich des Rappahannock-Flusses, während die Unions-Armee etwas weiter östlich auf dem anderen Flussufer lag. Also war Lee ständig darauf bedacht, den Gegner nichts von seinen Aktivitäten merken zu lassen.

MajGen J.E.B. Stuart, mit seinen nur 30 Jahren inzwischen auf beiden Seiten berühmter und gefürchteter Kavallerie-Chef von Lee, hatte mehr als 9.000 berittene Soldaten in seiner Kavallerie, also 9.000 Pferde, die täglich gefüttert werden mussten. Deshalb war die Kavallerie - im Gegensatz zu den Fußsoldaten und den Geschützen - ständig in Bewegung. Es war viel leichter, die Pferde zu den Futterstellen der ganzen Gegend zu führen als das Futter in solch gewaltigen Mengen mit Wagen zu den Pferden zu transportieren. Außerdem blieben die Pferde in Form, wenn sie bewegt wurden.

Zur Vorbereitung des Feldzugs war es aber nun nötig, die Einheiten zusammenzuholen, um gemeinsam Pläne zu machen und die Ausbildung der Männer und Pferde auf einen vergleichbaren Stand zu bringen. Stuart schlug das Lager nahe der kleinen Bahnstation Brandy Station auf, um gleichzeitig einige Teile von Lee's Armee vor dem Ausspähen durch den Feind zu schützen.

 

Stuart, zu dessen besonderen Eigenschaften auch ein gutes Stück Eitelkeit gehörte und der den großen Auftritt liebte, beschloss, zur Hebung der allgemeinen Moral eine große Kavallerie-Parade zu veranstalten. Am 5. Juni inszinierten 9.000 Reiter und 4 Geschützbatterien ein fiktives Gefecht, während Stuart neben anderen Kommandeuren und örtlicher Prominenz in seiner Parade-Uniform stolz im Sattel saß und seine charakteristische Federboa am Hut im Wind wehen ließ. Lee konnte nicht anwesend sein, und so wurde die Parade für den Kommandeur am 8. Juni wiederholt.

So beeindruckend die Show auch war, sie hatten auch ungebetene Gäste. Ein paar Unions-Reiter hatten sich über den Fluss geschlichen und beobachteten das große Spektakel. Dadurch wusste US-General Hooker nun, dass Lee's ganze Kavallerie beisammen war, und er beschloss, sie anzugreifen. Nachts schlich die komplette Unions-Kavallerie - angewachsen auf 11.000 Mann - über den Fluss und stellte die völlig überraschten Konföderierten nach der zweiten Parade am frühen Morgen zum Kampf.

 

Zunächst wurden die "Grauen" zurückgedrängt, als sie so plötzlich von verschiedenen Seiten angegriffen wurden, aber sie konnten sich sammeln und leisteten heftige Gegenwehr. Der Kampf dauerte den ganzen Tag.

Ein solches Gefecht - noch dazu in dieser Größenordnung - ist sehr schwierig zu dirigieren. Die Reiter bewegen sich sehr schnell, Formationen lösen sich plötzlich auf nur weil ein Geländehindernis dazwischen kommt, oder unvermittelt reitet ein Gegner-Trupp - oder auch die eigenen Leute - vor die eigenen Gewehrmündungen.

Kavalleristen kämpften anders wie die Fuß-Soldaten. Ihre größte Sorge war, dass das Pferd unter ihnen erschossen wurde oder dass es sich verletzte und deshalb aufgegeben werden musste. Denn nur im Sattel konnte sich ein Kavallerist gegen andere Reiter wehren. Sie benutzten zwar die noch seltenen Gewehre mit kürzeren Läufen und Patronen - die sogenannten "Rifles" -, aber mit nur einer Hand zu zielen und etwas zu treffen wenn sich unter einem das Pferd bewegt, war wirklich schwierig. Deshalb nahmen sie viel häufiger ihren Säbel zur Hand. Dafür mussten sie aber sehr nahe an den Gegner heran, um ihn oder sein Pferd durch Säbelhiebe kampfunfähig zu machen. Der bekannte Ausdruck "es war ein Hauen und Stechen" stammt von solchen Kavalleriegefechten und beschreibt sehr gut, was sich da abspielte.

 

Gegen Mittag waren die Unions-Reiter dabei, den kleinen Hügel "Fleetwood Hill" zu erstürmen, von wo aus ihre Kanonen das ganze Schlachtfeld beherrscht hätten. Der konföderierte Lieutenant John Carter schaffte es gerade noch rechtzeitig, ein einzelnes Geschütz und kaum genug Pulver für einen einzigen Schuss dort hinauf zu bringen, und feuerte damit sofort einmal in die Luft. Die Unions-Soldaten glaubten daraufhin, der Süden hätte den Hügel schon völlig besetzt, und verzichteten auf die Erstürmung. Das gab den Konföderierten genug Zeit, den Hügel tatsächlich zu verteidigen.

Gegen Abend zog sich die Unions-Kavallerie schließlich wieder über den Rappahannock zurück. Die Schlacht endete unentschieden, es gab keinen eindeutigen Gewinner. Aber es gab mehrere Nebeneffekte.

Die Kavallerie des Südens hatte den Angriff abgewehrt und hatte es geschafft, die Tarnung von Lee's restlicher Armee nicht zu verlieren. Die Union hatte dagegen gezeigt, dass ihre Kavallerie von jetzt an mindestens ebenso stark wie die bislang überlegene Reitertruppe des Südens war. Stuart musste sich also umstellen.

 

Hier noch ein paar Zahlen: Die Union verlor an diesem Tag 907 der eingesetzten 11.000 Mann, der Süden 523 von 9.500. Mit 8% und 6% sind diese Zahlen für ein ganztätiges Gefecht vergleichsweise niedrig, aber das lag an der oben beschriebenen besonderen Art, mit wenig Einsatz von Gewehren zu kämpfen. Wie viele Pferde getötet oder dienstunfähig wurden, ist nicht bekannt.

Unter den Verwundeten befand sich auch ein Sohn von General Lee, William H. F. Lee, der zur Genesung auf eine nahe Farm gebracht wurde, wo er am 26. Juni von Unions-Männern aufgespürt und gefangen genommen wurde. Er sollte erst im Februar 1864 gegen einen US-Offizier ausgetauscht werden.

Das Gefecht ist im Grunde genommen ein Teil des Gettysburg-Feldzuges, aber mir durch seine Besonderheit einen separaten Artikel wert. Historiker nehmen heute zumeist an, dass Stuart die Scharte, überrascht und beinahe geschlagen worden zu sein, unbedingt auswetzen wollte, und deshalb ein paar Wochen später zu viel riskierte, wodurch er auf dem Weg nach Gettysburg den Kontakt zu Lee's Armee verlor.