Der Gettysburg-Feldzug, Teil 3: Der erste Tag der Schlacht

 

Am 27. Juni wurde der Kommandeur des V. US-Corps, Major General George Meade, mitten in der Nacht von einem Kurier geweckt, der direkt aus Washington angeritten kam. Dieser Kurier überreichte ihm einen versiegelten Umschlag. Schon das Siegel verriet, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Depesche handelte, denn es zeigte den Bundesadler, das Zeichen des US-Präsidenten. Der Befehl besagte, dass Meade mit sofortiger Wirkung zum Kommandeur der gesamten Potomac-Armee ernannt war. Lincoln hatte endlich einen Weg gefunden, Hooker zu abzulösen. Dieser hatte nicht nur die Schlappe von Chancellorsville zu verantworten, sondern er erging sich auch ständig in strategischen Streitgesprächen mit seinen Vorgesetzten, Präsident Lincoln und Kriegsminister Stanton.

George Gordon Meade war Berufssoldat aus Pennsylvania, 48 Jahre alt, ein guter Organisator, gelegentlich launisch und bei seinen Soldaten nur durchschnittlich beliebt. Der hochgewachsene Mann hatte einen eigentümlichen Gesichtsausdruck mit hervorstehenden Augen, was ihm den Beinamen "Schnappschildkröte" einbrachte. Nun stand er vor dem großen Problem, die riesige Armee in kürzester Zeit nach Pennsylvania zu bringen, ohne zu wissen, wo sich Lee's Armee genau befand. Zudem sollte er sich stets zwischen Lee und Washington positionieren, damit die Konföderierten nicht die Unions-Hauptstadt angreifen konnten.

Das war vor gerade einmal 4 Tagen.

 

Nun, am 1. Juli 1863 befand sich Meade mit einem Teil der Armee noch immer in Maryland, während einzelne Corps auf Carlisle und Pennsylvanias Hauptstadt Harrisburg marschierten, da Unions-Späher dort Teile der konföderierten Armee entdeckt hatten. Das I. Corps, gefolgt vom XI. Corps, sollte dafür den Weg durch die kleine Stadt Gettysburg nehmen, die an einer Wegkreuzung lag.

Wie üblich schickte der Kommandeur des I. Corps, MajGen John Reynolds, eine Kavallerie-Einheit voraus, um den Weg oder den Feind auszukundschaften. BrigGen John Buford's Reiter waren am Vorabend westlich von Gettysburg auf einen konföderierten Trupp gestoßen, und seine Späher berichteten, dass sich dahinter noch weitaus mehr Südstaatler auf dem Weg nach Gettysburg befanden. Er erkannte, dass Lee seine Armee gewendet hatte und sämtliche Einheiten hier zusammenziehen wollte. Sollte es hier zur Schlacht kommen, waren die Hügel südlich von der Stadt besonders wertvoll. Denn wer sich dort postieren konnte, hatte die weitaus bessere Stellung. Also beschloss Buford, die Konföderierten solange aufzuhalten, bis Reynolds mit dem I. Corps angekommen war.

  

MajGen John F. Reynolds, USA, I. Corps, bei Gettysburg gefallen / BrigGen John Buford, Kavallerie-Vorausbrigade / MajGen Oliver O. Howard, USA, XI. Corps

Den restlichen Verlauf des I. Tages der Schlacht fasse ich zum besseren Verständnis der nachfolgenden Berichte kurz zusammen:

Buford und Reynolds gelang es, den Vormarsch des konföderierten 3. Corps (LtGen Ambrose P. Hill) von Nordwesten zu bremsen. Reynold selbst wurde dabei erschossen. Als von Norden her Lee's 2. Corps (LtGen Richard S. Ewell) eintraf, war zwar auch das XI. US-Corps (MajGen Oliver O. Howard) zur Stelle, aber der Gegner war zu stark. Die Unions-Einheiten wurden durch die Stadt getrieben und flohen auf die Anhöhen, die Buford bereits am Vortag als vorteilhaft erkannt hatte. Durch ein Miss­verständnis drängten die Konföderierten nicht nach, und so konnten sich die US-Soldaten dort oben gut verschanzen.

 

Das Lutheranische Seminar-Gebäude in Gettysburg, von dessen Aussichtskuppel aus BrigGen Buford das erste Gefecht der Schlacht dirigierte (aktuelles Foto / historische Darstellung).

 

Übersichtskarte Gettysburg am 1. Tag:

 

Hier der Bericht von General Robert E. Lee über die Bewegungen seiner konföderierten Einheiten und die Reaktionen des Gegners darauf. Lee's Bericht ist detaillierter als der des Unions-Kommandeurs. Ich hoffe, dass er bei aller Ausführlichkeit militärischer Details nicht langweilig ist.

 

General Hill kam mit Pender's Division am Abend an, und rückte mit diesen beiden Divisionen am nächsten Morgen, dem 1. Juli, zusammen mit den Artillerie-Batallionen von Pegram und McIntosh vor, um die Stärke des Feindes zu ermitteln, von dem man annahm, es würde sich überwiegend um Kavallerie handeln.

Die führende Division unter General Heth stieß etwa fünf Kilometer westlich von Gettysburg auf die Vorposten des Feindes und setzte seinen Vormarsch bis weniger als zwei Kilometer vor die Stadt fort, als zwei Brigaden zur Erkundung vorgeschickt wurden. Sie stießen heftig mit den Vorposten des Feindes zusammen, stellten dahinter aber deutlich überlegene Stärken fest, und mussten sich unter Verlusten zurückziehen. Brigadegeneral Archer, der die Brigaden kommandiert hatte, wurde gefangen genommen.

General Heth bereitete sich dann auf den Kampf vor, und als Pender zu seiner Unterstützung bei sich hatte, erhielt er von General Hill den Befehl zum Vormarsch. Die Artilleie wurde in Position gebracht und das Gefecht wurde mit Nachdruck eröffnet. General Heth drängte den Feind beständig zurück, durchbrach seine erste und zweite Linie und griff seine dritte Linie mit Erfolg an.

Gegen 14:30 Uhr erschien Ewell's vordersten Einheiten aus Rodes' Division und Carter's Batallion über die Middletown-Straße, sodass diese nahezu im rechten Winkel an Heth's linke Flanke an­schlossen und beherzt in den Kampf eingriffen. Heth's Truppen, die bislang gegen überlegene Kräfte an der Heidlersburg-Straße schwere Verluste erlitten hatten, stellten sich für den nun folgenden generellen Vormarsch links von Rodes auf.

Der Feind brach auf allen Seiten ein und wurde unter großen Verlusten durch die Stadt Gettysburg hindurch getrieben.Ihr Kommandeur, General-Major Reynolds, wurde getötet. Mehr als 5.000 Gefangene, dazu eine große Zahl Verwundete, drei Geschütze und etliche Regimentsfahnen gingen in unseren Besitz. Unter diesen Gefangenen waren zwei Brigadegeneräle, einer davon schwer verwundet.

Unsere eigenen Verluste waren schwer, einschließlich einiger Offiziere, darunter Generalmajor Heth und Brigadegeneral Scales aus Pender's Division, ersterer leicht und letzterer gefährlich verwundet.

Der Feind zog sich auf eine Hügelkette südlich von Gettysburg zurück, wo er eine starke Ansammlung von Infanterie und Artillerie zu erkennen gab. Von Gefangenen wurde bestätigt, dass wir es mit zwei Corps der bis kürzlich von General Hooker kommandierten Armee zu tun hatten, und dass sich der Rest der Armee unter General Meade Gettysburg näherte. Ohne Information ihrer Entfernung konnte die starke Position, in die sich der Feind zurückgezogen hatte, nicht ohne die Gefahr der vier anwesenden und bereits durch den langen und blutigen Kampf geschwächten Divisionen angegriffen werden, dass der Feind überlegende Anzahlen von frischen Truppen zuführen könnte.

General Ewell erhielt deshalb den Befehl, den Hügel vom Feind zu säubern, wenn er dies für machbar hielt, jedoch einen generellen Kampf zu vermeiden, bis die anderen Divisionen der Armee vor Ort waren, welche beschleunigt heranbefohlen wurden. Ewell beschloss, auf Johnson's Division zu warten, der von Carlisle westlich der Berge marschiert war, um den Wagenzug des Corps zu sichern und deshalb Gettysburg erst zu später Stunde erreichte.

In der Zwischenzeit bezog der Feind das Gelände das General Ewell besetzen sollte, jedoch konnte seine Stärke aufgrund der Dunkelheit nicht festgestellt werden. Eine abgefangene Nachricht besagte, dass ein weiteres Corps diesen Nachmittag sechs Kilometer vor Gettysburg zum Stehen gekommen war.

Unter diesen Umständen wurde beschlossen, nicht vor der Ankunft von Longstreet anzugreifen, von dessen Divisionen zweei (unter Hood und McLaws) sechs Kilometer im Hinterland zur Nacht lagerten. Anderson's Division aus Hill's Corps erreichte den Schauplatz nach Ende der Kämpfe.

Es war nicht vorgesehen, ein allgemeines Gefecht so weit von unserer Basis entfernt zu beginnen, solange wir nicht angegriffen wurden, aber nachdem wir unterwartet auf die gesamte Föderale Armee gestoßen waren, wäre ein Rückzug über die Berge mit unserem gewaltigen Wagenzug schwierig und gefährlich gewesen. Gleichzeitig hätten wir unter Entzug von Versorgungsgütern im Angesicht des Feindes zu leiden gehabt, der unsere Requisiteure durch Besetzen der Bergübergänge mit örtlichen oder anderen Truppen behindern könnte. Insofern erschien eine Schlacht deshalb unvermeidbar, und der bereits erreichte Erfolg gab Hoffnung auf einen vorteilhaften Verlauf.

 

Unions-Kommandeur MajGen George G. Meade beschreibt die Ereignisse von der anderen Seite wie folgt:

 

Als General Reynolds Gettysburg am 1. Juli erreichte, fand er Buford's Kavallerie in heißem Gefecht mit dem Feind vor, der seine Infanterie durch die Hügel über die Cashtown-Straße vorgeschoben hatte, aber in äußerst mutiger Weise von Buford's Kavallerie gebremst wurde. Generalmajor Reynolds marschierte sofort um Gettysburg herum und drang auf der Cashtown-Straße vor, brachte seine vorderste Division ohne zu Zögern in Position, stellte sich dem Gegner, und schickte gleichzeitig Befehle an das 11. Corps (Generalmajor Howard), so schnell wie möglich nachzufolgen. Gleich nachdem er die Planungen für seinen Angriff abgeschlossen hatte, fiel General Reynolds tödlich getroffen, worauf das Kommando über das 1. Corps an Generalmajor Doubleday überging, das Kommando des gesamten Feldes an Generalmajor Howard, der zu jener Zeit - 11.30 Uhr - mit dem nun von Generalmajor Schurz geführten 11. Corps ankam.

Generalmajor Howard schickte zwei Divisionen des 11. Corps zur Unterstützung des 1. Corps vor, das nun auf der Anhöhe nördlich der Stadt in heftigem Kampf mit dem Feind stand, und platzierte seine dritte Division mit drei Artillerie-Batterien auf dem Cemetery Ridge südlich der Stadt. Bis zu diesem Zeitpunkt fand die Schlacht mit den Kräften des Feindes statt, die über die Anhöhen entlang der Cashtown-Straße strömten und Hill's Corps zugeordnet werden konnten.

Zu Beginn der Aktion lag der Erfolg auf unserer Seite. Wadsworth's Division aus dem 1. Corps hatte den Feind eine Strecke zurückgedrängt und dabei zahlreiche Gefangene aus derKonföderierten Armee gemacht, darunter General Archer. Die Ankunft von Verstärkungskräften des Feindes auf der Cashtown-Straße sowie das Einschreiten von Ewell's Corps über die York- und Harrisburg-Straße gegen 13 und  14 Uhr ermöglichte es dem Feind, deutlich überlegene Kräfte gegen das 1. und 11. Corps einzusetzen, unsere Kampflinie auszuflanken und so stark zu bedrängen, dass es Generalmajor Howard gegen 16 Uhr angemessen erschien, diese beiden Corps auf den Cemetery Ridge südlich der Stadt  zurückzuziehen. Dies wurde erfolgreich ausgeführt, jedoch unter starken Verlusten durch Gefangene, nachdem Teile beider Corps beim Durchqueren der Stadt in den Straßen durch­einander gerieten.

Etwa zu jener Zeit traf Generalmajor Hancock ein, den ich auf die Nachricht von General Reynold's Tod zum meinem Vertreter auf dem Schlachtfeld bestimmt hatte. Zusammen mit General Howard fuhr General Hancock fort, die Truppen auf dem Cemetery Ridge zu postieren und einen Angriff des Feindes auf unsere rechte Flanke abzuwehren. Dieser Angriff war jedoch nicht sehr stark, und der Feind schien angesichts unserer nun gehaltenen Position mit dem Erreichten zufrieden zu sein und sah an diesem Tag von weiteren Attacken ab.

Gegen 19 Uhr kamen die Generalmajore Slocum und Sickles mit dem 12. und Teilen des 3. Corps am Schauplatz an und nahmen Stellungen rechts und links der bereits postierten Einheiten ein. Nachdem ich den Berichten vom Schlachtfeld entnahm, dass der Feind die bereits erfolgten Angriffe mit der Macht seiner gesamten Armee weiterführen würde, und nachdem die Generäle Hancock und Howard das Gelände als vorteilhaft beurteilten, entschied ich, die Schlacht dort zu führen. Am frühen Abend des 1. Juli erteilte ich den Befehl an alle Corps, bei Gettysburg zusammen zu kommen, während die Wagenzüge in den Rückraum bei Westmister geschickt wurden.

Um 22 Uhr brach ich mein bisheriges Hauptquartier bei Taneytown ab, machte mich auf den Weg zum Schauplatz und kam dort am 2. Juli gegen 1 Uhr an. Mit dem ersten Tageslicht inspizierte ich die besetzten Stellungen und traf Arrangements zur Aufstellung der verschiedenen Corps, wie sie der Reihe nach das Schlachtfeld erreichten.