Erfindungsreiche konföderierte Marine
Was tut man, wenn man etwas dringend braucht, es aber nicht selbst erzeugen kann?
Man wird erfindungsreich und sucht nach Alternativen.
So erging es der Südstaaten-Marine im Bürgerkrieg.
Die Südstaaten besaßen eine mehrere tausend Kilometer lange Atlantikküste sowie etliche große und schiffbare Flüsse. Aber Schiffe, um diese Wasserwege zu befahren und zu verteidigen, hatten sie nicht. Denn fast alle Reedereien und Werften lagen im Norden. Also mussten sie sich was einfallen lassen. Und eines muss man ihnen lassen: ja, sie hatten Einfälle - und Mut, diese auch gleich umzusetzen.
Schiffe kapern
Mit der Sezession von Staaten, die größere Fluss- oder Seehäfen hatten, konnten die Konföderierten das eine oder andere Schiff darin übernehmen. Aber das waren nur sehr wenige, weil die Nordstaatler das natürlich befürchteten und Schiffe und Ladung wenn möglich noch abzogen.
Panzerschiffe
Gleich zu Beginn des Krieges besetzten die Südstaatler die einzige Werft in ihrem Gebiet, gelegen in Norfolk, VA, nahe der Grenze zu North Carolina. Die dort stationierten Nordstaatler erfuhren es aber noch rechtzeitig, brachten einige Schiffe in Sicherheit und versenkten die anderen, damit sie nicht in die Hände des Feindes fallen. Die Konföderierten brachten dann wieder nach oben, was sie noch brauchen konnten. Darunter auch das Schiff U.S.S. Merimack (U.S.S. steht für US-Schiff, die Konföderierten nannten ihre Schiffe dann C.S.S. so-und-so).
Und dieses Schiff bauten sie in einer Weise um, wie es das noch nie zuvor gegeben hatte. Die Masten wurden entfernt, eine Dampfmaschine für den Antrieb eingebaut, und das gesamte Oberdeck mit schweren, flach angeordneten Eisenplatten versehen. Durch rund ein Dutzend Öffnungen ragten die Rohre von Bordgeschützen. Im Februar 1862 lief es unter dem Namen C.S.S. Virginia aus und war unglaublcih erfolgreich. Dank seiner Panzerung konnte es ganz nah an die feindlichen Schiffe heran, um diese mit seinen Kanonen oder auch dem Rammspeer am Bug zu versenken, ohne selbst schwer getroffen zu werden.
Die Union bekam vom Umbau Wind und entwickelte ihrerseits ein neuartiges Panzerschiff, die U.S.S. Monitor. Beide Schiffe lieferten sich noch im gleichen Monat vor Virginia's Küste die Schlacht von Hampton Roads. Nachdem sie sich einen ganzen Tag lang gegenseitig beschossen hatten, gingen sie ergebnislos auseinander. Die Entwicklung dieser Panzerschiffe revolutionierte die soldatische Seefahrt auf der ganzen Welt. Die Union baute in der Folge noch zahlreiche weitere Panzerschiffe, die Konföderation mangels geeigneter Werften und Materialknappheit nur wenige.
Barrikaden
An einigen Meerengen, Hafeneinfahrten oder Flussmündungen wollten die Konföderierten verhindern, das Unions-Schiffe dort einfahren konnten. Deshalb platzierten sie unterhalb der Wasseroberfläche Hinternisse, die einen Schiffsrumpf beim Überfahren beschädigen sollten. Das konnten unbrauchbar gewordene und deshalb dort versenkte Schiffe sein, oder auch Eisenpfähle. Um nicht selbst durch diese Barrikaden am Passieren gehindert zu werden, ließen sie Lücken zwischen den Barrikaden, die nur auf ihren eigenen Karten verzeichnet waren.
Dieses Vorgehen war nicht neu und auch nur als Verzögerungsmaßnahme gegen den Feind geeignet. Auch war die Wirksamkeit nur von kurzer Dauer. Denn wenn die Unionsverbände die Hindernisse geortet und beseitigt hatten, war der Weg wieder frei.
Seeminen
Eine neue, passive Abwehrmaßnahme waren dagegen Seeminen. Erstmals gelang es, Sprenggeschosse aus der Artillerie wasserdicht zu verpacken und mit einem Berührungszünder zu versehen. Diese wurden dann in der Mitte einer Kette befestigt, an deren Enden eine Boje ein Stein befestigt waren. Ins Wasser gelassen hielt die Boje den Sprengsatz auf der Höhe von Schiffsrümpfen, während der Stein auf dem Grund lag, damit die Mine nicht von der Strömung mitgenommen wurde.
Seeminen waren anfangs sehr erfolgreich. Nachdem mehrere wertvolle Unions-Schiffe dadurch schwer beschädigt wurden oder gar gekentert waren, stellte die US-Marine die bislang übliche Praxis um und ließ nicht mehr das imposanteste Schiff mit dem Kommandanten vorausfahren. Kleine, leere und später mit Panzerplatten verstärkte Lastenkähne tasteten sich nun vor der Flotte durch unsicheres Gewässer. Wurden sie durch eine Mine beschädigt, war ihr Verlust nicht schwerwiegend, aber die Mine war unschädlich gemacht. Auch stellte man konföderierte Gefangene auf diese Vor-Schiffe, die zum eigenen Überleben die Positionen der Minen verrieten.
Diese frühen Minen wurden aber bei längerer Liegezeit unzuverlässig. Wenn das Salzwasser die Hülle durchfressen hatte und das Pulver oder der Zünder mass wurde, war die Mine unwirksam.
Eine Besonderheit stellten elektrisch gezündete Minen dar. Durch diese gezielten Zündungen konnte vermieden werden, versehentlich eigene Schiffe zu beschädigen. Am 12.12.1862 versenkte eine von Land aus gezündete Mine das Schiff "U.S.S. Cairo" auf dem Mississippi-Fluss. Jedoch zwang der Mangel an Kupfer und Batterie-Säure, diese konföderierte Entwicklung einzustellen. Zudem steckte de Entwicklung der Elektrotechnik noch in den Kinderschuhen. Das Schiff wurde 1964 gehoben und kann in Vicksburg, MS besichtigt werden.
Torpedos
Die konföderierte Marine unternahm ernsthafte Versuche, Seeminen mit einem Antrieb zu versehen, um sie bei Bedarf gezielt auf feindliche Schiffe zu lenken. So wollte man vermeiden, dass die Minen zu lange im Wasser lagen und dadurch unbrauchbar wurden. Versuche, solche Minen mit Seilen zu ziehen, waren nur auf Flüssen umsetzbar. Man wartete auf feindliche Schiffe und zog dann im geeigneten Moment den Torpedo vom gegenüberliegenden Ufer an einem Seil seitlich in den Rumpf des Schiffes. Bei Aufschlag explodierte er.
Versuche mit einem Raketen-ähnlichen Antrieb scheiterten zu jener Zeit noch an der schlechten Richtungs-Steuerung. Auf konföderierten Versuchsergebnissen aufbauend gelang es jedoch bereits 1868 österreichischen Ingenieuren, im Krieg gegen Kroatien Torpedos mit eigenem Antrieb erfolgreich einzusetzen.
Eine weitere Form war der Speer-Torpedo. Er war mit einem Zeitzünder ausgerüstet und wurde an der Spitze einer langen Stange in den Rumpf des feindlichen Schiffes gebohrt. So hatte der Angreifer noch Zeit, sich zu entfernen, bis die Ladung explodierte. Das Problem war, sich unbemerkt dem Feind zu nähern, um den Speer zu platzieren. Und dies führte zur erstaunlichsten Innovation der konföderierten Marine:
U-Boote
Der konföderierte Ingenieur Horace Lawson Hunley entwickelte 1862-63 in Mobile, Alabama das erste brauchbare Unterseebot der Welt. Es war komplett aus Eisen. In seinem länglichen Rumpf fanden neun Personen Platz, dicht gedrängt in einer langen Reihe sitzend. Der Steuermann bediente Höhen- und Seitenruder, die anderen Männer bedienten eine lange Handkurbel, die durch das gesamte Schiff verlief und im Heck die Schiffsschraube drehte. Die Tauchtiefe wurde mit Wassertanks gesteuert, die über Ventile gefüllt und mit Handpumpen geleert werden konnten. Das Schiff hatte zwei Einstiegsluken, aber keine Bullaugen. Die Navigation erfolgte blind.
Nachdem bei Testfahrten bereits eine Besatzung ums Leben kam, wurde das 12 Meter lange und fast 7 Tonnen schwere U-Boot heimlich nach Charleston, SC gebracht. Hunley weigerte sich, weitere Versuche zu unternehmen, und so wurde es von der konföderierten Marine übernommen und auf den Namen "C.S.S. Hunley" getauft. Ein Angriffsversuch auf ein US-Blockadeschiff am 29.08.1863 endete erneut mit dem Verlust von 5 Seeleuten. Grund war diesmal nicht die Konstruktion des Bootes, sondern ein Fehler des Kommandanten. Die "Hunley" wurde gehoben und weiter verbessert. Am 15.10.1863 war der Konstruktur selbst wieder mit an Bord, als erneut 7 Mann Besatzung starben, darunter auch Hunley selbst. Auch diesmal wurde das Boot gehoben.
Der nächste Angriffsversuch am 17.02.1864 war erfolgreich. Die "Hunley" bohrte einen Torpedo an einer langen Stange in den Rumpf des großen Blockade-Segelschiffes "U.S.S. Houstatonic" vor Charleston. Nachdem sich die "Hunley" in sichere Entfernung zurückgezüge hatte, wurde die Sprengladung über einen Seilzug ausgelöst. Das völlig überraschte US-Schiff sank binnen weniger Minuten. Die "Hunley" gab noch Lichtzeichen, kam aber nicht mehr an Land zurück. Der Grund für ihr Sinken blieb unklar. Man vermutet mehrheitlich, dass der Sauerstoff im Boot für die Rückfahrt nicht mehr ausreichte. Dennoch war dies der weltweit erste reale Einsatz eines U-Bootes.
Das Wrack der "C.S.S. Hunley" wurde erst 1995 entdeckt, und nachdem extra eine Konservierungsanlage gebaut worden war, wurde der zerbrechliche und vom Salzwasser schwer beschädigte Rumpf im Jahr 2000 geborgen. Nach vorsichtiger Restaurierung kann es seit 2012 in Charleston besichtigt werden. Die Besatzung war übrigens 2004 im "Letzten Konföderierten Begräbnis" in Charleston feierlich und mit militärischen Ehren beigesetzt worden.
Die "C.S.S. Hunley" bei ihrer Bergung im Jahr 2000
Die aus dem ständigen Materialmangel hervorgegangen Erfindungen der Konföderation veränderten die Seefahrt-Technik nachhaltig. Heute gehören Schiffe mit Stahl-Rümpfen und gepanzerten Aufbauten, Torpedos und U-Boote zur Selbstverständlichkeit sowohl der militärischen als auch der zivilen Seefahrt. Aber kaum jemand weiß noch, wer sie erstmals entwickelt und zum Einsatz gebracht hat.