31.05.-12.06.1864 - Cold Harbor
Erinnern wir uns: Grant hatte den North Anna River auf breiter Front überschritten und dann festgestellt, dass er Lee quasi "vor die Flinte" gelaufen war. Eine große Schlacht hielt er dort für undurchführbar, also zog er seine Armee über den Fluss zurück. Seinen Plan, auf Richmond vorzudringen, gab er aber weiterhin nicht auf. Also schickte er sich an, die Potomac-Armee in einem weiteren östlichen Bogen in Richtung auf das Ziel zu führen.
Wie immer sollte Lee nicht zu früh merken, was Grant vorhatte. Diesmal war das aber besonders schwierig, weil seine Linien quasi in Sichtweite der Konföderierten lagen und dann besonders verwundbar wären, wenn sie dem Feind den Rücken zuwendeten. So schickte er zunächst heimlich die nur langsam marschierende Artillerie los. Ablenkungsmanöver kleinerer Einheiten und seiner Kavallerie ließen den noch immer erkrankten Lee denken, Grant würde sich diesmal nach Westen bewegen. Im Schutz der Dunkelheit stahl sich die Unions-Infanterie dann am 26. Mai davon und marschierte nach Osten, dann nach Süden, weitläufig dem North Anna River nördlich folgend.
LtGen Ulysses S. Grant, USA, Oberkommandierender / General Robert E. Lee, CSA, Army of Northern Virginia
Lee schickte seine Kavallerie aus, um Grant's Bewegungen und mögliche Ziele zu erkunden. Flussabwärts, wo der North Anna River zum Pamunkey River wurde, stießen sie dann auf Unions-Kavallerie, die dort eine Überquerung für Grant's Armee vorbereiteten. Am 27. Mai kam es zu einem kleinen Kavalleriegefecht, das unentschieden endete, aber nun wusste Lee, wo Grant den Fluss überqueren wollte.
Lee kannte das Gelände gut und wusste, dass die beste Verteidigungslinie am Südufer des Totopotomy Creek war, einem Zufluss des Pamunkey River, nur 15 Kilometer nördlich von Richmond. Um Grant etwas aufzuhalten und für nähere Informationen über den Gegner, schickte er seine Kavallerie erneut vor, diesmal unter dem Kommando von MajGen Wade Hampton. So kam es bereits am 28. Mai zum nächsten Kavalleriegefecht, das diesmal aber fast nicht zu Pferde ausgetragen wurde. Auch dieses endete unentschieden.
Das Gefecht verschaffte Lee Zeit, am Südufer des Totopotomy Creek Stellung zu beziehen und sich auf Grant's Ankunft vorzubereiten. Das "Hase-und-Igel"-Manöver geht also in die nächste Runde.
Am 30. Mai rückte Grant dann auf ganzer Linie vor. Da seine Kavallerie anderswo beschäftigt war, musste er sich auf die Beobachtungen der Fußsoldaten verlassen, und so bekam er erst spät die Meldungen, wie gut Lee auf der anderen Seite des Flusses postiert war. Grant ließ seine Armee auf der Nordseite anhalten. Ähnlich wie am North Anna River kam es hier noch nicht zum großen Kampf. Nur am südöstlichen Ende der Linie, abseits des Flusses, kam es zu kleinen Gefechten.
Und eben diese Nebengefechte waren es, die hier zur großen Schlacht führten. Beide Armeen verlängerten ihre Linien parallel nach Südosten und standen sich nun auf 4 bis 5 Kilometern Länge gegenüber, vom Pamunkey River bis zu den kleinen Siedlungen Old Cold Harbor und New Cold Harbor. Und dort im Südosten, bei Cold Harbor, entbrannte am 1. Juni die Schlacht.
Grant griff mit dem VI. Corps (MajGen Horatio G. Wright) und dem von Butler's James-Armee abgestellten XVIII. Corps (MajGen William F. Smith, wegen seinem schütteren Haar "Baldy" - Glatzkopf genannt) frontal an. Aber Lee's Linien von LtGen Hill und MajGen Anderson hielten. Die Union musste heftige Verluste verschmerzen.
MajGen Horatio G. Wright, USA, VI. Corps / MajGen Winfield S. Hancock, USA, II. Corps
Am 3. Juni dann schickte Grant seine Soldaten an gleicher Stelle erneut in einen Frontalangriff gegen Lee, diesmal verstärkt um MajGen Winfield S. Hancock's II. Corps. Auch diesmal gab es ein fürchterliches Gemetzel. Als Grant gegen Mittag seinen Angriffsbefehl erneuerte, weigerten sich seine Unterführer, diesen auszuführen, weil es nur zu einem weiteren Abschlachten geführt hätte. Grant sah dies dann ein und zog den Befehl zurück. Er schrieb an MajGen George G. Meade, dem eigentlichen Befehlshaber der Armee:
Angesichts der Meinung der Corps-Kommandeure, keine Aussicht auf Erfolg zu haben, wenn ein Angriff befohlen wird, mögen Sie die Aussetzung eines weiteren Vorgehens für den Moment veranlassen.
Bis zum 12. Juni verblieben beide Armeen in den Befestigungen, aber es erfolgte kein weiterer Angriff mehr.
"Cold Harbor" war ein eindeutiger Sieg für Robert E. Lee und eine der schmählichsten Niederlagen für Grant. Wieder einmal hatte ihn Lee durchschaut, war schneller vor Ort und konnte die bessere Stellung wählen. Und Grant überschätzte seine Möglichkeiten und befahl Angriffe, die einfach nicht zu gewinnen waren. Ulysses S. Grant hatte später nur ein einziges Mal bedauert, einen Befehl zum Angriff gegeben zu haben, und das war genau hier am 3. Juni 1864. Schätzungen beziffern die Verluste bei der Union allein an diesem Tag auf bis zu 7.000 Mann, bei den Konföderierten auf "nur" 1.500.
Aber es sollte Lee's letzter Sieg sein.
Wie üblich, auch hier Übersichtskarten. Der Schauplatz ist schon sehr nah an die Stadt Richmond herangerückt. Zunächst die Bewegung beider Armeen vom North Anna River zum Totopotomy Creek:
Und dann von dort durch parallele Verschiebung der Fronten nach Cold Harbor: