30.07.1864 - Die Schlacht am Krater

 

Schon die Überschrift dieses Artikels ist merkwürdig. Was für ein Krater? In Virginia gibt es doch keine Vulkane.

Lasst mich über dieses wirklich einzigartige Ereignis aus dem Bürgerkrieg berichten.

 

Seit zwei Wochen belagerte Grant's Potomac-Armee die Konföderierten vor Petersburg. Mehrere Versuche, Lee's Linien zu durchbrechen und die Stadt einzunehmen, waren am sturen Widerstand der Beschützer gescheitert. Der Stillstand erzürnte Grant, aber er konnte nichts dagegen tun.

Da brachte Lt.Col Henry Pleasants vom 48. Pennsylvania Infanterie-Regiment eine neue Idee auf. Seine Männer waren im zivilen Leben überwiegend Bergleute, Pleasants selbst war Bergbau-Ingenieur. Er schlug vor, heimlich einen langen Schacht unter die konföderierten Linien zu graben und direkt unter diesen mit Sprengstoff zur Explosion bringen. Dies würde ein Loch in die Verteidigungslinie reißen. Und wenn genügend Unionskräfte sofort durch dieses Loch strömen und in den Rückraum der Verteidiger gelangen würden, könnte Petersburg fallen. Pleasant's Corps-Kommandeur, der uns bereits von Fredericksburg bekannte MajGen Ambrose E. Burnside, unterstützte diesen Plan. Oberkommandeur Grant und Armee-Kommandeur Meade ließen die Aktion zu, hielten es aber mehr für eine Beschäftigungstherapie als für eine echte strategische Chance.

 

LtCol Henry Pleasants, 48. Pennsylvania Regiment / Zeitgenössische Kohleskizze: Pleasants inspiziert die Arbeiten im Tunnel

Langsam wurde der Tunnel länger und länger. Die Männer gruben mit den Händen und zogen Erde und Steine mit Vorratskisten heraus, an die sie Griffe montiert hatten. Ein aufgelassenes Sägewerk und eine hölzerne Brücke lieferten Balken zum Abstützen und Auskleiden der Gänge. Es wurde auch ein schlaues Belüftungssystem gebaut. Bis etwa zur Mitte führte der Stollen leicht bergab, danach wieder bergauf. An der tiefsten Stelle legte man einen senkrechten Lüftungsschacht an und entzünd­ete darunter ein Feuer, dessen Hitze und Rauch durch den Schacht entwich. Der so entstandene Unterdruck wurde durch Frischluft vom Tunneleingang ausgeglichen, die dadurch beständig zu den Arbeitern gelangte.

Am 17. Juli hatte man sich bis unter die konföderierten Linien vorgearbeitet. Die Konföderierten erfuhren Gerüchte über den Bau, denen aber im Oberkommando kein Glauben geschenkt wurde. Nur BrigGen John Pegram, dessen Geschützbatterie genau über der vermuteten Mine stand, zog sich zur Vorsicht in eine neue Linie kurz dahinter zurück.

Die Mine hatte die Form eines "T". Der Schacht zur konföderierten Linie war 156 Meter lang, sein Eingang lag in einer Senke rund 15 Meter tiefer als die konföderierte Batterie, was ihn vor feindlichen Blicken verbarg. Am anderen Ende führten zwei Seitenschächte von je 23 Metern Länge ab, die genau unter der konföderierten Linie verliefen.

 

Nachdem Grand und Meade ein Angriffsgefecht weiter östlich nicht gewinnen konnten, beschlossen sie nun doch, die Mine zu nutzen. Sie ließen den Quergang mit 3.600 kg Schießpulver füllen und den langen Zugang mit 10 Meter verdichteter Erde verstopfen. Am 28. Juli wurde die Zündschnur gelegt. Zwei Wochen lang hatte Burnside eine Division farbiger Soldaten unter BrigGen Edward Ferrero für den Angriff nach der Explosion trainiert. Sie sollten am Krater vorbeistürmen und die dahinter liegende Straße besetzen. Burnsides zwei anderen Divisionen, gebildet aus weißen Männern, sollten nachströmen und Petersburg einnehmen.

  

LtGen Ulysses S. Grant, USA, Oberkommandierender / MajGen George G. Meade, USA, Army of the Potomac / MajGen Ambrose E. Burnside, USA, IX. Corps

MajGen Meade war nach wie vor nicht vom Erfolg dieses Plans überzeugt. Einen Tag vor der geplanten Ausführung befahl er Burnside, die Farbigen nicht für den ersten Angriff zu verwenden, da er politische Verwicklungen befürchtete, wenn der Plan scheiterte und viele Farbige sinnlos fallen würden. Auch waren Farbige bislang noch kaum kampferprobt. Burnside protestierte bei Genral Grant, aber dieser schloss sich Meade's Bedenken an.

Burnside rief daraufhin seine Divisionskommandeure zusammen, aber keiner erklärte sich freiwillig bereit, die Sache anzuführen. Also ließ es Burnside die Kommandeure auslosen. Es traf die 1. Division unter BrigGen James H. Ledlie. Dieser aber bereitete seine Einheiten nicht auf das vor, was von ihnen erwartet wurde.

Die Mine sollte am 30. Juli vor 4 Uhr morgends zur Explosion gebracht werden, noch in der Dunkelheit, sodass die Konföderierten die aufgestellten Unions-Einheiten nicht erblicken konnten. Aber die Lunte war von schlechter Qualität und brannte aus, bevor sie das Pulver erreichte. Zwei mutige US-Soldaten entzündeten sie wieder, und um 4.44 Uhr gab es einen wahrlich ohrenbetäubenden Knall. Erde, Steine, Männer und Kanonen flogen durch die Luft. Der Krater, den diese Explosion in den Erdboden riss, war 50 Meter lang, 35 Meter breit und mindestens 9 Meter tief. 278 Konföderierte waren sofort tot. Die Männer links und rechts davon waren für rund 15 Minuten wie gelähmt.

Auch Ledlie's untrainierte Division wartete 10 Minuten, bevor sie ihre Deckungen verließen. Hühnerleitern zum Überqueren der eigenen Befestigungsgräben fehlten, also mussten die Männer ihre eigenen Hindernisse zeitraubend überklettern, um in das Niemandsland zwischen den Linien vorzustoßen. Dann marschierten sie direkt in den Krater hinein und nicht um diesen herum, wie es die farbigen Männer eingeübt hatten. Sie hielten den Krater für einen guten Schützengraben und dachten, dort Deckung zu finden. Ihr Kommandeur Ledlie war nicht unter ihnen, er war betrunken zurückgeblieben.

 

BrigGen James Ledlie, USA, 1. Division, IX. Corps / BrigGen William Mahone, CSA,

Der Krater war jedoch eine riesige Falle. Die hohen Wände waren zu steil, Leitern fehlten, und so strömten immer mehr Unions-Soldaten nach und füllten das Loch auf. Der Konföderierte BrigGen William Mahone reagierte am Schnellsten. Nach rund einer Stunde hatte er alle verfügbaren Männer und Geschütze am Rand des Kraters aufgestellt und ließ mit allen Mitteln hineinfeuern. Für die Unions-Männer im Krater gab es kein Entkommen.

Den nächsten Fehler machte Burnside. Anstatt seine Verluste zu begrenzen und die Aktion abzubrechen, schickte er doch noch Ferrero's farbige Division vor. Anders als eingeübt, konnten sie den Krater nicht umrunden, weil die Konföderierten inzwischen gut aufgestellt waren. Also marschierten auch sie ebenfalls direkt in die Falle hinein. Auch sie wurden von konföderierten Schützen förmlich abge­schlachtet. Erst dann brach Burnside das Manöver ab. Die Union verlor mit 3.800 Mann mehr als doppelt so viele Soldaten wie die Konföderation, obwohl diese von dem Angriff vollständig überrascht worden war.

 

Grant befand sich in seinem Hauptquartier, etliche Kilometer von den Ereignissen entfernt. Er hatte dem erfahrenen Kommandeur Burnside vertraut und war deshalb nicht selbst anwesend. Als er von dem entsetzlichen Fehlschlag hörte, war er sehr aufgebracht. BrigGen Ledlie wurde umgehend entlassen und wegen Feigheit und Trunkenheit im Dienst vor das Kriegsgericht gestellt. MajGen Burnside wurde seines Kommandos über das IX. Corps enthoben und erhielt für den Rest des Krieges kein neues Kommando mehr. MajGen Meade, der mit der plötzlichen Planänderung einen entscheidenden Anteil am Scheitern des Angriffs hatte, wurde dagegen erst in der juristischen Aufarbeitung nach Ende des Krieges Schuld zugesprochen.

LtCol Pleasants, der am Angriff selbst nicht beteiligt war, wurde für die Idee und die professionelle Vorbereitung gelobt und kurz vor Kriegsende zum Brigadegeneral befördert. Auch der konföderierte BrigGen Mahone, der sich durch die schnelle Reaktion nach dem Schock der Explosion auszeichnete, sollte zu einem der besten Jung-Generäle des letzten Kriegsjahres werden.

Obwohl die Schlacht ein überwältigender taktischer Sieg für die Konföderation war, änderte sie nichts an der strategischen Lage rund um Petersburg. Die Belagerung sollte bis zum kommenden Frühjahr andauern.

 

Der Krater und das umliegende Gelände sind heute Teil der Schlachtfeld-Gedenkstätte von Petersburg. Noch 150 Jahre später ist der Eingang erhalten und der Krater gut zu erkennen.

So sah der Krater nach der Explosion aus:

Das ist der Stolleneingang heute:

Was heute noch vom Krater so sehen ist:

Und hier eine Google-Luftaufnahme der Stelle von heute:

Rechts oben ist der Eingang, dort befindet sich heute auch eine Besichtigungstribüne. Die nach links unten verlaufenden Senken sind eingebrochene Stollenabschnitte. Der Krater selbst ist links unten in der Baumgruppe. Wald und Bäume gab es übrigens damals dort nicht.

Wissenschaftler haben einmal errechnet, dass die Explosion des Stollens das lauteste Geräusch ge­wesen sei, das Menschen jemals selbst hervorgerufen hatten. Ich weiß nicht recht, wozu man solche Berechnungen braucht....