19.10.1864 - Wie Hunger eine Schlacht entscheidet

 

Auf Drängen von Präsident Lincoln sollte Ulysses Grant dem Treiben des konföderierten Chorps-Führers Jubal Early im Shenandoah-Tal ein Ende machen. Nachdem Early wie berichtet bis vor die Tore von Washington vorgestoßen war, überfiel er nun immer wieder wichtige Eisenbahnlinien im Westen der Hauptstadt, um die Versorgung Washington's zu stören. Hierbei operierte er vom nördlichen Shenandoah-Tal aus, das ihm ausreichend Schutz und Verstecke bot.

Grant, der vor Richmond und Petersburg lag, stellt eine Truppe aus dem Großteil seiner Kavallerie sowie anderen Einheiten zusammen und schickte diese unter Führung von MajGen Philip Sheridan in's Shenandoah-Tal los. Während Early sich am Nord-Ende des Tals aufhielt, näherte sich Sheridan langsam und vorsichtig von Süden her. Sheridan - der seine Einheit nicht ganz ohne Eitelkeit "Army of the Shenandoah" nannte, vermied zunächst größere Auseinandersetzungen, und zwar aus politischen Gründen.

 

LtGen (temporär) Jubal A. Early, CSA, 2. Corps / MajGen Philip Sheridan, USA, temporäre Army of the Shenandoah

Es war 1864, also Wahljahr. Und die Wiederwahl von Lincoln war Anfang August noch garnicht so sicher. In der Union waren die Stimmen der kriegsmüden Demokraten unüberhörbar, die ein sofortiges Ende der Kämpfe forderten - egal zu welchem Preis. Für Lincoln lag das Kriegsende noch in weiter Ferne. Weder Grant noch Sherman hatten bislang ihre Ziele in Richmond und Atlanta erreicht. Und täglich starben weitere Unions-Männer. Wenn Sheridan nun auch noch größeres Blutvergießen verursachte, würden Lincoln's Chancen weiter schwinden.

Early verkannte Sheridan's Gründe für die zögeriche Vorgehensweise. Er dachte, Sheridan würde die direkte Konfrontation mit ihm fürchten. Deshalb verteilte er seine Einheiten über einen größeren Bereich, was insbesondere die Nahrungsbeschaffung erleichterte. Sheridan erfuhr wiederum von dieser Unvorsichtigkeit seines Gegners und machte sich sofort auf den Weg, den vordersten Flügel von Early's Linie bei der Stadt Winchester anzugreifen.

Early jedoch erkannte Sheridan's Plan und zog seine Einheiten rasch wieder zusammen. Dabei hatte er noch Glück, denn die Unions-Männer verspäteten sich, weil sie durch einen engen Canyon herankommen mussten, der bald von Versorgungswagen verstopft war. Trotzdem hatte er gegen die Unions-Übermacht von 40.000 gegen seine 12.000 Mann letztlich keine Chance. Seine schnelle Reaktion verhinderte nur, dass seine Streitkräfte am 19. September in dieser "3. Schlacht von Winchester" nicht vollends aufgerieben wurden. (Die Stadt Winchester hatte bereit zwei Schlachten miterleben müssen - 1862 mit Stonewall Jackson und 1863 im Gettysburg-Feldzug.)

 

Die Schlacht war der Wendepunkt im Shenandoah-Tal, das sich nun und bis zum Kriegsende weitgehend in der Hand der Union befand. Bemerkenswert war auch die hohe Anzahl von Offizieren und Generälen unter den Verlusten. Das zeigt, wie eng diese Schlacht geführt wurde. Selbst die Kom­mandeure waren so dicht an den Kämpfen dran, dass sie in die Reichweite der gegnerischen Geschütze kamen. Unter den Verwundeten war MajGen Fitzhugh Lee, Early's Kavallerieführer und Neffe von Robert E. Lee.

MajGen Fitzhugh Lee, CSA, Kavallerie 2. Corps

Early's verbliebene Einheiten verschanzten sich in einem Seitental. Sheridan griff diese Stellung zwei Tage nach der großen Schlacht mit einem Flankenmanöver an und vertrieb sie daraus. Early zog sich daraufhin nach Waynesboro zurück und überließ das Tal der Union. Nachdem Sherman in der Zwischenzeit Atlanta eingenommen hatte und Lincoln's Wiederwahl damit gesichert erschien, begann Sheridan damit, die Infrastruktur im gesamten Shenandoah-Tal systematisch zu zerstören. Er ließ Farmen, Scheunen und Felder niederbrennen, Vieh schlachten und erschießen, zerstörte Eisenbahnen und Brücken. Das so fruchtbare Tal sollte der Konföderation keine Nahrungsmittel mehr liefern können.

 

Die Unionsarmee bezog ein großes Lager nahe der Stadt Strasburg am kleinen Fluss Cedar Creek. Sheridan war überzeugt, dass Early nicht mehr die Mittel für einen großen Angriff hatte, und schickte rund ein Drittel seiner Männer zurück nach Petersburg. Sheridan selbst ritt am 16. Oktober zu einer Besprechung nach Washington ab, begleitet von seiner Kavallerie, die an anderer Stelle Eisenbahnlinien stören sollte. Dann erfuhr er jedoch, dass Early Meldungen aussandte, General Longstreet solle von Petersburg heraufkommen und ihn unterstützen. Dies war eine bewusste Falschinformation von Early, in der Hoffnung, die Union würde sich angesichts einer solchen Gefahr zurückziehen. Sheridan jedoch brach alle Bewegungen ab und rief seine Einheiten am Cedar Creek wieder zusammen. Nur er selbst ritt nach Washington.

Early untersuchte die Positionen der Union sorgfältig und stellte fest, dass der linke Flügel nicht gut durch Vorposten gesichert war. Er setzte vollständig auf das Überraschungsmoment gegen einen um die Hälfte größeren Gegner. Am 19. Oktober schlugen seine Männer um 4 Uhr früh in drei Angriffslinien zu. Die Unions-Einheiten wurden förmlich im Schlaf überrascht. Nach gut drei Stunden hatten sie fast die komplette Unions-Armee aus ihrem Lager nach Norden verdrängt, viele von ihnen kaum richtig angezogen oder bewaffnet.

Bis hierher war diese Schlacht ein klarer Sieg für die Konföderation gegen einen zahlenmäßig klar überlegenen Gegner. Aber es sollte andes kommen. Und das war eine Folge dieses schon so langen und entbehrungsreichen Krieges sowie von Sheridan's Zerstörungen im Shenandoah-Tal. Die ausgezehrten und kaum halbwegs ernährten Südstaatler beendeten den Vorstoß und fielen plündernd über die Vorräte im Unionslager her.

Philip Sheridan war auf dem Rückweg von Washington und hatte in Winchester übernachtet. Als ihm Wachposten berichteten, dass sie Kampflärm hörten, bestieg Sheridan sein Pferd und eilte in vollem Gallop zu seinen Truppen. Dann ritt er vor ihnen auf und ab und feuerte sie an:

Auf geht's, Männer! Mir nach, Männer! Wir vertreiben sie! Heute Abend kochen wir Kaffee mit dem Wasser des Cedar Creek!

Dieser charismatische Auftritt elektrisierte die verschreckten Unions-Soldaten derart, dass sie sich für einen Gegenangriff formierten.

Bildnis von MajGen Philip Sheridan, wie er seine demoralisierten Truppen persönlich aufmunterte

Bei diesem Gegenangriff nahm Sheridan Early's Einheiten förmlich in die Zange und zwang sie zum sofortigen Rückzug. Als hierbei eine Brücke unter ihnen einstürzte, mussten die Südstaatler alle zuvor erbeuteten Kanonen und auch die meisten eigenen Geschütze aufgeben. Unter großen Verlusten zogen sie sich in die deutlich weiter südlich gelegene Stadt New Market zurück. Die Auszehrungen des Krieges, besonders auf Seiten der Konföderierten, und der couragierte Auftritt eines Generals hatten diese gewaltige Wendung des Schlachtverlaufes möglich gemacht.

 

Philip Sheridan erwarb sich durch diesen Sieg anhaltenden Ruhm. Das Shenandoah-Tal war für die Konföderation verloren, sowohl strategisch wie als Kornkammer. Was von Early's Streitkräften übrig war, "tröpfelte" bis Dezember in kleinen Gruppen zu Lee's Armee nach Petersburg zurück. Early selbst erhielt zwar Lee's Respekt für die geleisteten Dienste im Shenandoah-Tal, aber kein weiteres Kommando mehr. Am 30. März 1865 schickte Lee Early nach Hause.