Juli 1864 - März 1865 - Die Belagerung von Petersburg

 

In diesem Artikel gebe ich eine Übersicht darüber, wie die Belagerung von Petersburg und Richmond durch die Unions-Armee unter LtGen Ulysses S. Grant verlaufen ist und wie es die Konföderierten unter Gen Robert E. Lee geschafft haben, dieser so lange standzuhalten.

 

Eine Belagerung ist militärisch gesehen ein sehr aufwändiges Unterfangen. Wenn alle Versuche, den Gegner durch Überraschungsmanöver oder massivem Vorgehen zu bezwingen gescheitert sind, geht man dazu über, ihn zu belagern, das heißt, ihn an Ort und Stelle solange festzuhalten, bis dieser entweder aufgibt oder man doch noch eine Möglichkeit findet, durch dessen Linien zu brechen.

So eine Belagerung ist aber keineswegs ein Stillstand, ein statisches Ereignis, wo man sich nicht von der Stelle bewegt und einfach nur belauert. Der Belagerer (hier: die Union) versucht immer wieder mit verschiedenen Manövern, den Belagerten (hier: die Konföderation) zu überraschen oder soweit aus der Reserve zu locken, dass Schwachstellen in ihrer Verteidigung entstehen, die man ausnützen kann.

Im Laufe der 10-monatigen Belagerung von Petersburg und Richmond unternahm Grant mehrere dieser Versuche, von denen ich einige gesondert beschreiben werde. In diesem Artikel gebe ich einen Überblick über den sonstigen Verlauf dieser Belagerung vom Beginn Ende Juni 1864 bis zum Zusammenbruch Ende März 1865. In dieser Zeit geschahen etliche interessante Dinge, die nicht unbedingt mit Kämpfen zu tun haben, und die ich trotzdem hier vorausschauend chronologisch berichten möchte.

 

Mit Beginn der Belagerung lagen sich die beiden Armeen auf jener östlichen Seite von Petersburg und Richmond gegenüber, auf der Grant's Armee die Stadt erreicht hatte. Grant hatte seine Streitkräfte zwischen die beiden Städte und das Meer geschoben, aber der Zugang zum konföderierten Hinterland war noch immer möglich. Und das war für die Städte und Lee's Armee lebenswichtig, weil von dort aus über mehrere intakte Eisenbahnlinien Versorgungsgüter aus dem Süden und Südwesten herangebracht werden konnten.

Hier eine Übersichtskarte etwa aus jener Phase: Lage im Herbst 1864 (alle Karten und Bilder von Wikipedia):

Man sieht, wie die Unions-Armee (blau) die konföderierten Verteidigungen (rot) umschlossen hielten, besonders bei Petersburg und am James River südlich von Richmond. Grant selbst schlug sein Hauptquartier in City Point auf, wo der zentrale Umschlagplatz zur Versorgung der Unions-Armee mit Schiffen aus dem Norden errichtet wurde. Die kleine Eisenbahnlinie von City Point nach Petersburg wurde beschlagnahmt, sie erleichterte den Warentransport von den Schiffen zu den Linien.

Über die Eisenbahn kamen nicht nur Lebensmittel, Kleidung, Larzarette und Munition, sondern auch spezielle Belagerungskanonen, sogenannte Mörser. Diese waren so schwer, dass sie nicht auf einem Marsch mitgeführt werden konnten. Ihre Reichweite war auch nicht besonders groß, aber sie konnte sehr schwere massive Kugeln verschießen, die Mauern und Befestigungen des Gegners durchbrechen konnten, also genau das was man bei einer Belagerung besonders braucht.

Hier ein Bild einer solchen Mörserkanone: Kanone namens Dictator:

Links davon sieht man die provisorischen Bahngleise, über die das Geschütz herangeschafft wurde. Die Dicke des Rohres aus massivem Gusseisen lässt ein wenig das gewaltige Gewicht erahnen.

 

Grant unternahm während der Belagerung verschiedene Aktionen, um die Lage der Konföderierten so zu verschlechtern, dass sie irgendwann aufgeben mussten. Man kann drei Arten von Aktionen unterscheiden:

  1. Ablenkungsmanöver: Grant ließ von einigen Einheiten Manöver und Märsche auf vermeindliche Ziele in Lee's Hinterland durchführen, sodass Lee ihm folgen und dafür Truppen von der Verteidigung abziehen musste. Grant wollte einerseits solche Schwächungen ausnutzen und andererseits die Anzahl von Lee's Soldaten nach und nach verringern, da er wusste, dass die Konföderation - im Gegensatz zur Union - kaum noch neue Soldaten aufbringen konnte.
  2. Schläge gegen die Versorgungslinien: Grant ließ immer wieder die Eisenbahnlinien nach Petersburg und Richmond angreifen (hier insbesondere die Weldon Railroad und die Southside Railroad - siehe Karte oben). Wenn die Konföderierten die besetzten Abschnitte nicht zurückgewinnen oder zerstörte Abschnitte nicht reparieren konnten, mussten sie ihre Waren immer weitere Strecken über die Straßen transportieren. Das war zunehmend mühsam und auch gefährlich.
  3. Verlängerung der Linien: Grant dehnte seine Linien beständig nach Süden und Südwesten aus. Er zwang Lee damit, dasselbe zu tun, ohne hierfür zusätzliche Männer zur Verfügung zu haben. Lee's Linien wurden dadurch immer dünner. An einigen Stellen stand alle zwei Meter nur ein einziger Mann. Irgendwann würden seine Linien so dünn sein, dass ein Durchbruch möglich sein würde.

 

Hier eine Karte von der ausgedehnten Linie vor der Winterpause: Lage Petersburg Oktober 1864:

Man sieht, wie Grant mit Truppenbewegungen seine Linie verlängert und wie Lee entsprechend darauf reagiert.

Und hier eine Karte von den Linien in ihrer maximalen Ausdehnung: Lage Petersburg Frühjahr 1865:

In dieser Karte sind bereits Bewegungen eingezeichnet, die zum Zusammenbruch von Lee's Verteidigung führen sollten.

 

Hier nun einige Ereignisse, die in der Belagerung - neben allen taktischen und kämpferischen Aktionen - eine Rolle spielten:

 

September 1864:

Lee erkannte, dass er für den Bau der Verteidungsanlagen zusätzliche Arbeitskräfte benötigte. Natürlich konnte er dafür Soldaten einsetzen, aber die brauchte er viel dringender zur Verteidigung und gegen die diversen Aktionen, die Grant außen herum inszinierte. Also beantragte er beim konföderierten Kongress die Bereitstellung von 2.000 Farbigen als Arbeiter. Aber der Kongress konnte sich nicht dazu entschließen, dieser Bitte stattzugeben.

 

Ende November 1864:

Nachdem Lincoln im Jahr zuvor den "Thanksgiving Day" (Erntedank) mit traditionell reichhaltigen Speisen landesweit auf den jetzten Donnerstag im November festgelegt hatte, erhielten die Unions-Soldaten in diesen Tagen aus dem ganzen Land Fleisch- und Truthahn-Lieferungen, die sie möglichst nahe an der Frontlinie zubereiteten und im Rahmen kleiner Feiern verspeisten. Dies war eine bewusste Provokation der oft nur wenige Meter entfernt liegenden Südstaatler, die zwar den Geruch von Fleisch in die Nase bekamen, aber weiter kaum zwei Zwieback-Stücke pro Tag zu Essen hatten.

 

12. Dezember 1864:

Nachdem der unbeliebte MajGen Benjamin Butler das Kommando über die James-Armee an Grant's Vertrauten MajGen Edward Ord abgegeben hatte, organisierte Ord diese Armee um. Er fasste alle weißen Soldaten als neues XXIV. Corps und alle Farbigen als neues XXV. Corps zusammen, weil er der Ansicht war, dass dies für eine gleichmäßige Kampfkraft seiner Truppe besser wäre. Die Offiziere im XXV. Corps waren jedoch weiterhin nur Weiße. Diese Form der Rassentrennung wurde in späteren Jahren durchaus kritisch gesehen.

 

11. Januar 1865:

Lee fordert den Konföderierten Kongress auf, das seit Monaten auf dem Tisch liegende Gesetz zur Aufstellung von Kompanien aus Farbigen gegen die Zusage der Freilassung nach Kriegsende zu verabschieden, weil er dringend weitere Männer brauchte.

 

31. Januar 1865:

Der konföderierte Kongress ernennt General Lee zum Oberkommandierenden aller Truppen der Konföderiation. Im Gegensatz zu Grant's Ernennung vor knapp einem Jahr änderte sich für Lee hierdurch nicht viel. Zwar konnte er weiterhin hinter den Linien zwischen seinen Stellungen bei Petersburg und der Hauptstadt Richmond pendeln, aber seine Armee saß an Ort und Stelle fest. Die zweite und letzte große konföderierte Armee, die Tennessee-Armee unter Gen Joseph E. Johnston, hatte es in South und North Carolina mit Sherman's Truppen zu tun und war für Lee deshalb außer Reichweite. Rückblickend kann gesagt werden, dass Präsident Jefferson Davis, der das Oberkommando bis dahin selbst gehalten hatte, fast vier Jahre brauchte um zu erkennen, dass dies nicht die optimale Lösung war.

 

13. März 1865:

Endlich genehmigt der Konföderierte Kongress die Aufstellung von Regimentern aus Farbigen, allerdings mit der Einschränkung, dass die jeweiligen Besitzer der Sklaven zustimmen mussten. Statt der allgemeinen Wehrpflicht wie bei den weißen Männern sollte es hier eine "freiwillige Herausgabe" der Farbigen geben. Davis unterschrieb das Gesetz zehn Tage später, und tatsächlich wurden noch ein paar "Neger-Regimenter" aufgestellt und der Drill mit ihnen begonnen. Aber bis zum Fall von Richmond Anfang Mai kamen sie nicht mehr zum Einsatz.